Gemeinsam gestalten: 8 Tipps, wie ihr das Büro im Kollektiv auf den Kopf stellt

Über kollaborative Methoden können Wünsche und Bedarfe identifiziert und gemeinsam kreative Lösungen gefunden werden. © Romina Hafner

Die Rückkehr ins Büro hat nach Corona für viele eher schleppend funktioniert. Warum nicht über ein kollaboratives Gestaltungsprojekt nachdenken, um den Teamspirit wieder richtig anzufeuern? Eine gemeinsame Zielsetzung bringt das Team wieder näher zusammen und wann wäre ein besserer Zeitpunkt, um die Art wie wir Arbeiten und unsere Arbeitsräume gemeinsam neu zu denken?

Bei meiner Arbeit als Gestalterin innovativer Büroprojekte kommen immer wieder Co-Creation Workshops zur Arbeitsplatzgestaltung zum Einsatz. Inzwischen bin ich von den Vorteilen der kollaborativen Prozesse überzeugt, die zusätzlich zu einer schöneren Arbeitswelt auch viele – teils überraschende – positive Effekte bringen. Hier sind meine Anregungen zum gemeinschaftlichen Erarbeiten einer neuen, besseren Arbeitsumgebung.

Habt ihr schon mal euer Wohnzimmer neu eingerichtet? Keine leichte Aufgabe: Erst gilt es, herauszufinden was man selber möchte, dann soll es auch dem Partner oder der Partnerin gefallen, bei den Gästen soll es Eindruck machen und am besten lässt sich das Ganze noch für kleines Geld umsetzen. Nun stellt euch sich ein ähnliches Szenario vor, nur dass ihr diesmal ein Büro für hunderte Angestellte einrichten sollt. Da alle NutzerInnen der neuen Büroräume ihre eigene Vorstellung haben, wie es aussehen und funktionieren muss, scheint es schier unmöglich zu sein, bei so vielen unterschiedlichen Meinungen jemals auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Der kollaborative Prozess ist sicher nicht der schnellste Weg zur Gestaltung von neuen Arbeitsräumen, doch er trägt erheblich zum Erfolg des Projekts bei. Denn aufgepasst: Laut einer Studie scheitern 60% aller Veränderungsprozesse in Unternehmen an fehlender Mitarbeiterbeteiligung. 

Die MitarbeiterInnen selbst sind ExpertInnen ihrer Arbeitsabläufe und wissen genau, worauf es ankommt. Darum macht es Sinn, genau zuzuhören und das Team mitbestimmen zu lassen. 

Planungssicherheit gewinnen und gleichzeitig Kommunikation fördern – das ist die Kraft der kollaborativen Methoden © Florian Voggeneder

1. Format, Reichweite, Subjekt genau definieren

Der Satz: ‘Ihr dürft nun euer neues Büro selbst gestalten!’ triggert die wildesten Wünsche und Träume bei den MitarbeiterInnen. Wenn sich dann herausstellt, dass es eigentlich nur um die passende Wandfarbe ging, ist die Enttäuschung groß. Um Frust vorzubeugen ist anfangs zu entscheiden: Format (Wie wird befragt?), Reichweite (Wer wird befragt?) und Subjekt (Was darf mitbestimmt werden?). Verantwortliche in einem Umgestaltungsprojekt müssen vor der Arbeit mit den NutzerInnen ein Konzept erarbeiten und dieses budget- und inhaltstechnisch mit der Geschäftsleitung abstimmen. 

Kollaborative Gestaltungsprozesse sind sehr individuell, da sie je nach Unternehmensgröße, Art des Gestaltungsprojekts und der Befragung variieren. Es ist daher sinnvoll, die Planerseite oder Personen, die Erfahrungen mit Co-Creation Methoden haben, in diese Vorphase einzubinden, da diese unter allen finanziellen und räumlichen Möglichkeiten die besten Alternativen identifizieren können.

2. Das richtige Format wählen

Hat sich das Unternehmen also für einen kollaborativen Prozess entschieden, ist die erste Frage, die sich stellt, jene nach dem Format, durch welches die MitarbeiterInnen konsultiert werden sollen: 

Fragebogen – präzise aber unpersönlich

Suggestive oder zu allgemein gestellte Fragen vermeiden: Sie liefern falsche Resultate oder zu vage Ergebnisse. Die bessere Alternative sind Multiple Choice Fragebögen, bei denen die Antwortmöglichkeiten auf die Planungsziele des Managements abgestimmt sind. So bekommt man auf schnellem Weg präzise Resultate. 

Workshops – zeitaufwendig aber wirkungsvoll

Workshops haben einen großen Vorteil gegenüber Fragebögen: Teambuilding, Austausch zwischen Teams verschiedener Abteilungen, gesteigerte Motivation und Identifikation mit dem bevorstehenden Projekt sind nur ein paar der positiven Effekte. Mit genügend Abstand oder der Verwendung von Face-Shields werden Workshops auch Corona-sicher.

3. Niemanden ausgrenzen

Aus Zeit- und Kostengründen darf oft nur ein geringer Teil der Belegschaft an Workshops teilnehmen, was diejenigen, die nicht dabei sein können, missmutig stimmt. Eine Lösung dafür liegt darin die Teams ‘Advokaten’ wählen zu lassen. Das sind Ausgesandte, die Meinungen und Anliegen der Abteilung bei diesem Workshop vertreten. So erstrecken sich die positiven Effekte der Workshops nicht nur auf die Anwesenden. Gleichzeitig wird die Kommunikation innerhalb der Gruppe gestärkt, da die Agenten nach den Workshops auch die Verantwortung tragen, Informationen und Ergebnisse an die KollegInnen zurückzuspielen.

4. Die Stimmen vereinen

Bei einem Gestaltungsworkshop geht es nicht darum, viele persönliche Einzelmeinungen, sondern wenige für das Team relevante Ergebnisse zu erhalten. Dies gelingt am besten, indem man Fragen stellt und diese in der Gruppe diskutieren lässt. Dafür bietet es sich an, gezielt mit kleineren Gruppen zu arbeiten, da es in großen Diskussionsrunden oft schlussendlich nur wenige Redner und viele Zuhörer gibt und das Gespräch schnell mal vom Thema abkommt. In Teamgesprächen von 3-5 Personen bekommt jeder die Möglichkeit zu sprechen und zu den Ideen der anderen Stellung zu nehmen. In solchen Gruppen können sich auch KollegInnen aus unterschiedlichen Abteilungen zusammenfinden. Umso diverser das Team, umso interessanter sind oft die Ergebnisse. 

5. Keine Angst vor verrückten Ideen!

Kreativität ist die Gabe, aus zwei Dingen, die scheinbar nicht zusammenpassen, etwas Neues zu schaffen. Kommt in einer Diskussionsrunde der Wunsch nach einer Hängematte am Arbeitsplatz, sollte diese Aussage nicht gleich verworfen werden. Wenn nun jemand den Mut hatte, ‘out of the box’ zu denken, darf das nicht herabgewürdigt werden. Stattdessen ist es förderlich, Fragen zu stellen um der Idee auf den Zahn zu fühlen. So ein Wunsch kann das Bedürfnis im Freien, in unterschiedlichen Positionen oder einfach etwas entspannter arbeiten zu können darstellen. Die Idee der KollegInnen kann vielleicht durch einen bequemen Loungesessel verwirklicht werden. Da ich in meinen Projekten öfters vor diese Herausforderung gestellt wurde, kann ich inzwischen mit überraschenden Aussagen nicht nur umgehen, sondern diese auch in konkret machbare Konzepte übersetzen.

Dem im Workshop genannten ‘Urlaubsfeeling’ folgend, wurden im ‘Konzept U’ Breakout-Bereiche mit Outdoor Möbeln und tropischen Texturen entwickelt. © Romina Hafner

6. Nicht nur entscheiden, sondern gemeinsam Lösungen finden 

Was tun, wenn eine Befragung nun divergierende Ergebnisse bringt? Zum Beispiel wurde nach einem Farbschema für neue Besprechungsräume gesucht und die Ergebnisse haben sich gleichermaßen über alle möglichen Antworten gestreut. Was tun? Zu den Ergebnissen stehen und Lösungen finden: ‘Wie wäre es damit, jeden Besprechungsraum in einer anderen Farbe zu gestalten?‘. Ein zusätzlicher Workshop oder Besprechungen mit den Teams sind sinnvoll, um so gemeinsam eine Richtung zu definieren. So werden die widersprüchlichen Ergebnisse nicht zum Hindernis, sondern zur Chance etwas gemeinsam zu entwickeln. 

7. Großzügig mit Information sein

Nichts ist wichtiger für Unternehmen in einem Veränderungsprozess, als alle davon Betroffenen zu informieren. Dabei muss es nicht immer das große Townhall-Meeting sein. Ein Newsletter ist das perfekte Medium, welches regelmäßig über die aktuellen Projektfortschritte berichten kann. Der Informationsstrang sollte dabei kontinuierlich sein: Von Beginn des Projekts an, über Workshop-Ergebnisse oder Resultate von Befragungen, Projektzwischenstände bis hin zum offiziellen Projektabschluss sollte alles gut dokumentiert werden, um die Identifikation der MitarbeiterInnen mit dem Projekt zu stärken.

8. Brücken bauen zwischen Geschäftsleitung und Team

Es wird immer positiv aufgenommen, wenn die Geschäftsleitung am Beginn des Workshops spricht und diesen einleitet. Dies zeigt persönliches Engagement der Führungsebene und die ArbeitnehmerInnen verbinden die positive Erfahrung des Workshops automatisch mit dieser Person. Beim Workshop selbst sollte den Angestellten aber Raum gegeben werden, frei ihre Meinung zu äußern, daher sollte dieser Teil ohne die Unternehmensführung stattfinden. 

Eine wunderbare Eigenschaft des kollaborativen Prozesses ist es, Menschen den Freiraum zu geben, etwas mitzubestimmen, worauf sie sonst keinen Einfluss haben. Das ist eine Besonderheit, die ein Unternehmen auch attraktiver für seine MitarbeiterInnen macht. Vor allem Führungskräfte, die noch Schwierigkeiten haben, kooperativ zu führen oder eben gerade einen neuen Führungsstil etablieren wollen, können mit kleineren Gestaltungsprojekten, bei denen ihre Angestellten aktiv mitgestalten können, Punkte sammeln und sich von den langfristig positiven Effekten von Co-Creation überzeugen. 

Romina Hafner ist Designerin und gestaltet unter dem Synonym rohkonzept innovative Büroprojekte. Mit dem Leitsatz ‘Büros, die mehr können, als nur Arbeitsplätze zu sein’ konzipierte sie bereits attraktive Arbeitswelten für Kapsch TrafficCom, Bank Austria, Riot Games und viele andere Unternehmen. Dabei stehen stets die NutzerInnen im Vordergrund der Gestaltung. Sie entwickelt Workshopformate für kollaborative Gestaltungsprozesse in Unternehmen und begleitet Umbauprojekte von der Konzeption über die Planung bis zur Umsetzung. Das Ergebnis sind eindrucksvolle Arbeitsumgebungen und zufriedene MitarbeiterInnen, denn: Gemeinsam gestaltet man bessere Büros. 

rohkonzept.at